Als frischer Notfallsanitäter in einem pakistanischen Missionskrankenhaus
Als ich Ende September nach drei Jahren Ausbildung an der DRK-Landesschule in Pfalzgrafenweiler endlich meine Notfallsanitäter-Urkunde in der Hand halte, bleibt mir nicht viel Zeit zur Erholung. Mir steht ein freiwilliger, zweimonatiger Auslandseinsatz bevor: Ich gehe in ein Missionskrankenhaus tief im pakistanischen Hinterland, nahe der afghanischen Grenze. Dort werde ich den Medical Superintendent, einen deutschen Missions-Arzt und sein Ärzte-Team, für zwei Monate bei der Arbeit unterstützen.
Zum Glück sind die Temperaturen kurz vor meiner Ankunft gesunken, von den dort im Sommer typischen 50 Grad auf angenehme 30 Grad. Doch mir reichen schon die 30 Grad, um ordentlich ins Schwitzen zu kommen. Mein ganzes Wissen und Können ist gefordert bei verschiedenen Notfällen im OP, bei mehreren Neugeborenen und Säuglingen mit Anpassungsschwierigkeiten. Ich habe auch meine erste eigenverantwortliche Neugeborenen-Reanimation und führe meinen ersten Kaiserschnitt selbst durch.
Im OP und bei den Visiten auf den Stationen stelle ich fest, dass man mit dem umfänglichen Wissen und Können der Notfallsanitäter-Ausbildung hier viel bewirken kann. Und es bewährt sich auch sehr, dass die Lehrer uns stets mit den lateinischen Fachbegriffen der Medizin konfrontiert haben und uns zudem medizinisches Englisch vermittelt wurde: Nun kann ich hier alle ärztlichen Diskussionen verstehen und auch mitreden, selbst wenn wir hier sonst alle verschiedene Sprachen sprechen.
Mir fällt schnell auf, dass der medizinische Standard in Pakistan dem deutschen um viele Jahre hinterherhinkt. Die Behandlungsmöglichkeiten und vor allem die medizinische Ausstattung sind stark begrenzt. Ich unterrichte auch. In vier Unterrichtseinheiten darf ich den Ärzten und dem Pflegepersonal weitergeben, was ich über ABC-Diagnostik, Priorisierung und Reanimation weiß. Wo bisher 15:5 reanimiert wurde, profitieren Patienten jetzt unter anderem von einem 30:2-Reanimations-Rhythmus und von durchgehenden Thorax-Kompressionen nach Intubation. Nicht alles lässt sich eins zu eins übertragen von Deutschland nach Pakistan. Beispielsweise stehen in Pakistan keine Defibrillatoren zur Verfügung. In solchen und vielen anderen Situationen muss man improvisieren und das Beste aus den verfügbaren Mitteln machen. Für das erste pakistanische Fallbeispiel und Simulationstraining richte ich einen Raum als Übungs-Krankenzimmer ein. Gemeinsam simulieren wir einige Reanimationssituationen und reflektieren sie im Anschluss.
Mit dem Themenbereich „Motivation“ und „Lernen lernen“ am Anfang der Notfallsanitäter-Ausbildung hat sich damals keiner von uns leichtgetan. In Pakistan gewinnt das für mich ganz neu an Bedeutung. Denn Neues zu lernen und auch behalten zu können, ist eine Disziplin, die bei uns daheim selbstverständlich und die Grundlage einer guten Ausbildung ist – aber in Pakistan beherrscht das kaum jemand.
Ich denke insgesamt sehr oft an die Jahre der Ausbildung und des Lernens auf der Schule in Pfalzgrafenweiler. Immer dann, wenn die Ärzte mich loben für mein umfangreiches Wissen und die Fähigkeit einer sehr guten Patientenbeobachtung und Einschätzung. Ich erinnere mich auch an die Klinikpraktika und die Zeit auf den Rettungswachen im Kreisverband Freudenstadt und bin dankbar für die Mühe, die von so vielen Seiten in diese Ausbildung investiert worden ist.
Simeon Fink